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aus: Mittelbayerische Zeitung vom 12.9.2006

... Peter Liebl, Jahrgang 1946, fasst beim Gang durch seine große Werkschau in der Schwandorfer Kebbelvilla seine Ästhetik so zusammen:

"Mich hat das, was nicht da war, was ich nicht hatte, schon immer mehr berührt als das unmittelbar Gegenwärtige, das, worüber man ohne weiteres verfügen kann."

Kunst in Liebls Verständnis ist das Gegenteil von Kalkül. Sie beginnt dort, wo der Verfügungswahn der Moderne endet; sie ist Traum-Terrain und Sehnsuchts-Raum.

... Wenn man sie mit profanem Blick betrachtet, dann sind Peter Liebls große "Landschafts"-Bilder der vergangenen Jahre -oft schmale Hochformate, zwei Quadrate, von einer Horizontlinie getrennt -Farbfeldarbeiten in der Tradition der großen metaphysischen Malerei der Amerikaner Ad Reinhardt und Barnett Newman. Der schweifende Blick wird da nicht zur Idylle, sondern unheimlich, befördert das Bewußtsein, das hinter jedem Bild ein weiteres lauert, dass die Welt nicht plan, reine Oberfläche,sondern dicht, "tief", unendlich geschichtet ist. Malerei bleibt nicht nur Stimmung, Atmosphäre - das auch! - sondern wird vor allem Exegese, Selbst- und Weltauslegung. Ein kommunikativer Akt, der an kein Ende kommt.

... Es geht Liebl nicht um das realistische Bildnis, ja nicht einmal um eine rasche, aufs charakteristische Detail verknappte Individualität. Die christlichen Könige des Mittelalters hatten mehrals einen Körper. Sie waren nie nur private Personen. Das gilt auch für die von Peter Liebl Porträtierten; selbst wenn er die Modelle ohne weiteres benennen kann - und das auch bis in die Bildtitel hinein tut. Sie gruppieren sich familiär um den Maler; und meinen doch nie nur den empirischen Leib; auch nicht die Psyche oder soziale Rolle, die er anzeigt.Diese Porträts wirken, gerade in ihrer Serialität, in der Wiederkehr von Perspektiven und Motiven wie Botschaften aus einem fernen, verschollenen Reich, in dem jeder von uns seine Wurzeln hat, Wenn man sie anschaut, blickt man nicht in den Spiegel, sondern hinter den Spiegel.

(aus Straubinger Tagblatt vom 24.9.2006)

Die seit etwa 2003 entstandenen "Horizonte" - Ästhetik pur, romantisch gefärbte Sehnsuchtsbilder, die auf erstaunliche Weise wiederum das exerzieren, was Peter Liebl bereits mit seinen Porträts vorführt: Grenzüberschreitungen, ...Transitmarkierungen in unerreichbare Gefilde jenseits der realen, positivistischen Welt, ...Bestandsaufnahmen verschiedenartig getönter Seelenlandschaften -emotional gefärbte Stimmungsbilder aus der Wechselwirkung von Innen und Außen.Was der Romantiker Liebl in den Horizonten in pure Farbe gießt, ist vorgeformt in den bekannten Porträtbildern. Das Unvereinbare vereinbar machen, die Figur mit der Geometrie versöhnen, die äußerliche Statuarik der Figur mit innerer Bewegtheit verbinden, die ikonenhafte Starre mit dem individuellen Bildnis vereinen. Und doch finden sich in dem Irritierenden, Befremdlichen von Liebls Porträts Elemente der Porträtmalerei alten Stils wieder. Die Figuren stehen und sitzen entrückt, fixiert im Dogma Liebl`scher Bildtradition, und doch sind sie individuell unterscheidbar. Sie alle haben den gleichen starren Blick und schauen doch den Betrachter an, geben ihm damit Gelegenheit, seine Vorstellungswelt an ihrem Geheimnis zu entzünden. Sie fügen sich in das geometrische Umfeld und treten doch isoliert daraus hervor.Gelegentlich wird die starre Frontalität gebrochen, gibt es Asymmetrien im Fall eines Kleides, tauchen Accessoires auf, ein Stuhl oder eine Trommel, die plötzlich einel eichte Perspektive, die Andeutung einer Bewegung ins Bild bringen.Und dann sind da noch die Katzen, deren Anwesenheit auf den Bildern so bedeutungsvoll ist wie in alten Märchen, sie sind die Verbindungen von einer Welt in die anderen Welten, die Peter Liebls Bilder verheißen.

Im Blick zum Horizont spiegelt sich vermutlich eine urmenschliche Erfahrung, die etwas mit Orientierung, aber auch mit Verwunderung und Sehnsucht zu tun hat.

Und so begegnen uns in Peter Liebls Horizonten mannigfache Welten: ein ins Nachtblau versinkendes Meer und ein fahler Himmel, der von einem letzten Dämmerlicht erhellt sein kann, ebenso wie von einem ersten Morgengrauen und mit einer Horizontlinie, die undeutlich zwischen Meer und Himmel verschwimmt. Dem gegenüber gestellt ein Horizont als ein messerscharfer Trennungsstrich, dann bewegte Flächen und geballte Wolken. Man erlebt eine fast gewaltvoll geladene Atmosphäre, wie man sie vor großen Gewittern oder Unwettern empfindet, ebenso wie man eine zarte luzide Fläche oder einen staubig- trockenen Sandboden wahrzunehmen glaubt.

Im Grunde aber sieht sich der Betrachter einer einsamen Welt gegenüber gestellt, und wenn es denn den Schöpfungsakt jemals gegeben hat, wie er in der Bibel beschrieben ist, dann ist man bei Liebls Horizonten versucht, sich jene göttlichen Augenblicke vorzustellen, in denen Himmel und Erde entstanden sind...

... Außenwelt und Innenwelt sind gleichermaßen vorhanden und gerade bei den Horizontbildern beantwortet sich auch die immer wieder einmal gestellte Frage, ob nun Peter Liebls Bilder gegenständlich oder abstrakt seien, sozusagen von selbst. Sie sind beides, denn sie verbinden die reale gegenständliche Welt mit der Abstraktheit der Fläche, sie vereinigen Sinnliches und Gedankliches. Diese dauernde Ambivalenz ist ein wesentliches Merkmal seines künstlerischen Schaffens und daher bewegen sich seine Horizonte in außergewöhnlicher Weise auf einem spannungsgeladenen Schwebepunkt zwischen Tradition und Innovation.

Einführung zur Ausstellung am 25.09.2003 im Caritas-Krankenhaus St. Josef Regensburg

Berichte über Ausstellungen von Peter Liebl sprechen in ihren Überschriften nicht selten von der „Provokation des direkten Blicks“ oder vom „unausweichlichen Blick“ seiner Figuren. Eben diese zwischen Irritation und Faszination oszillierende Wirkung auf den Betrachter konzentriert der Schriftsteller Patrick Roth zu einem kurzen Erzählessay über das Sehen und Angesehenwerden, das Wegsehen und Hinsehen. „In der Augenzone“, nennt er den Text.

Es tat weh, war mir geradezu peinlich, von Liebls Frauen so angesehen zu werden

heißt es eingangs,

Als hätte ich unterhalb der Augen, in den geröteten Zonen, etwas gesehen, was nicht hätte gesehen werden sollen

Während einer Autofahrt mit dem Foto eines Liebl-Bildes auf dem Beifahrersitz, einer Fahrt durch eine amerikanische Zivilisationslandschaft – Filmkulissen, Kinos, Holiday Inn und Highways:

vorbei an Jahrhunderten, die hier niemand mehr sehen will, niemand beweint

entstehen Gedanken über die klärende und lösende, über die reinigende Kraft der Tränen und die Unerschrockenheit des Sehens: Liebls Bilder kommen aus dem Trost der Augenzonen, sind Augentrost – anders als es die Frau auf den Rollerblades am Ende der knappen Erzählung Patrick Roths kommentiert:

Was, glaubst du, ist das Rote da ... unter den Augen?‘ Ich deutete auf die Tränenflecke der Frau und des Kindes. ‚Kriegsbemalung‘, sagte sie

Und darin liegt ja durchaus etwas Kämpferisches.

Lässt man sich weniger auf derlei inhaltlich-spekulative und interpretatorische Lesarten ein, bleibt festzuhalten: die Augenpartie, die Augenzone besitzt eine entscheidende kompositorische Bedeutung, bündelt sie, spiegelt sie doch – einmal kräftiger, ja pathetischer, dann wieder verhalten zurückgenommen, gedämpfter – die Farbwerte der „Umwelt“, löst sie doch koloristisch das Spektrum der geometrischen Farbklänge auf, in welche die Figuren gefügt sind.

Bei dem künstlerischen Anliegen, eine Balance von Figur und Geometrie zu erreichen, spielen die Porträtbilder der letzten Jahre eine gewichtige Rolle. Ruhigere, großflächige Formen – als Tafeln oder Farbbahnen – horizontale und vertikale Verspannungen geben dabei der porträtierten Figur einen Raum zur Entfaltung. Auch wenn man demnach keine Hintergrundsdraperien, Tapeten oder eine ausgeklügelte Lichtregie findet, die einen konkreten Innenraum profilieren sollen, mag man sich – vor allem bei den Kinderporträts – zunächst an frühere Aufnahmen in Fotoateliers erinnert fühlen: an das Statuarische der Modelle, die in erstarrter Pose auf das Blitzlicht warten, an die Accessoires, den Plüschsessel, der Halt gibt, das Spielzeug, Hund oder Katze auf Rädern, die fast beziehungslos am Boden stehen oder den Kindern in die Hand gedrückt wurden. Sieht man aber genauer hin, werden Erinnerungen und Anspielungen wach, die weiter zurück reichen in Traditionen der Porträtmalerei. Mit abwesendem Gesicht lässt da bei Goya etwa der kleine Manuel Osorio eine zahme Elster vor den im Dunklen hockenden Katzenballen vorbei stolzieren; man stößt auf ein Hündchen, eine Spielzeugkutsche oder einen Kreisel und man stößt auf die Posen und den Blick der Augen. Auch dominieren in der Geschichte der Porträtmalerei und –fotografie ungewisse Räume oder auch solche Raum-Kompositionen, die etwas Artifizielles haben, in denen die Porträtierten verankert sind. Kompositonselemente aber wie Bild oder Spiegel im Hintergrund des Raumes, aus denen zusätzlich das Porträt des Künstlers oder der Elterngruppe blickt, entdecken wir natürlich bei Peter Liebl nicht. Vielmehr hebt er vor der ruhigen Farbtafel oder der Farbbahn des Hintergrunds – Innenraum oder Außenraum? – die porträtierte Figur so hervor, dass sie für sich selbst steht – und das nicht selten mit dem Wissen schon des Erwachsenen, mit den Ahnungen schon von Verletzlichkeiten.

Menschenbilder und Kompositionen!

Das Malerstipendium der Familie Luber mit dem wochenlangen Eintauchen in die Natur und Landschaft von Kallmünz wird von Peter Liebl als „Naturtransfusion“ erfahren. In einem mühseligen und ausdauernden Prozess des Skizzierens, Zeichnens und Malens, aber auch des Reflektierens und Nachdenkens weicht die Realität von Landschaft, von Wasser und Spiegelungen im Gewässer, die Realität des Wehres oder eines Baumes abstrakten Farbfeldern und Farblinien. „Ich will nicht theoretisch recht haben, zitiert Liebl Paul Cezanne, „sondern angesichts der Natur“. Natur verliert also nicht an Wert durch Abstraktion, vielmehr wird sie zur Prä-Figuration von Farben und Formen, wenn der Malprozess zum Ziel hat, aus der „Anschauung der Natur eine tragfähige Kompositionsstruktur herauszudestillieren, die sich dann farbig gestalten lässt“.

Man wird die Kallmünzer Landschaft im Wechsel von Tageslicht und Farbklängen mit dem ununterbrochenen Rauschen des Wehres - mit der Gischt der Trennlinien zwischen zwei unterschiedlich getönten und strukturierten Wasserflächen - mit anderen Augen sehen, wenn man sie durch die Lieblschen Kompositionen und nachtdunklen Farbtöne erfährt.

Sehr einprägsam formuliert der Künstler seine Malerfahrungen – nämlich den geschilderten Weg zu zunehmender Abstraktion angesichts der naturhaften Präsenz der Dinge, wenn er in seinen Notizen aus Kallmünz, den Dokumenten seiner zeichnerischen und malerischen Annäherungen, etwa – um ein Beispiel zu nennen – zur Gestalt und Form eines Baumes meint:

Mehrmals habe ich sein Abbild übermalt, aber den ‚Verrat‘ ihn nachträglich ans Wasser zu pflanzen, hat er nicht ‚überlebt‘. Jetzt ‚ruht‘ er unbeschadet im Dunkel zwischen einem roten und blauen Streifen.

Sein Credo – vielleicht?

Wenn sich das Sehen verändert durch die immer währende Bombardierung der Medien mit Bildern und hektischen Bildschnitten, die nichts mehr transzendentieren, sondern nur noch vereinnahmen und besetzen, so muss es die Aufgabe des Künstlers sein, nach neuen Bildern zu suchen, die das Sehen verzögern und neue (verlorengehende) Dimensionen erschließen. Im Dialog mit künstlerischen und dichterischen Gesprächspartnern, Lehrmeistern und Leitfiguren in Bild, Ton und Wort sieht Peter Liebl das Bild als geistigen Raum, in dem Figur und Natur ihre Würde zurückerhalten und bewahren. Mit seinen eigenen Worten:

Eines hatte ich schon bei Piero [della Francesca] begriffen: alle große Malerei bedarf der gesteigerten Abstraktion der Farbe, des Lichtes und des Raumes. Über [zehn] Jahre hinweg malte ich ungegenständlich, viereckige Flächen dominierten, gelegentlich versuchte ich auch Portraits und Figuren. Allmählich reifte der Wunsch heran, beide Ansätze in einem Bild zueinanderzubringen. Die bis heute anhaltende Suche nach einer Verbindung zwischen der Darstellung des Menschen und der Abstraktion hatte begonnen. Besonders wichtig wurde dabei meine Liebe zur russischen Ikonenmalerei, in der abstrakte und konkrete Bildteile eine gelöste Gemeinschaft eingegangen sind und in der ich verwirklicht sehe, was unserer Zeit, die Gott aus allem zu verdrängen sucht, abgeht.

Die dem individuellen Porträt entrückten Frauenfiguren der sitzenden und stehenden Kore werden diesem Anspruch in besonderer Weise gerecht. In Erinnerung an Brancusis endlose Säule rücken die flankierenden Farbklänge der Rautensäulen die Gestalt in religiöse Dimensionen, werden sie - die Rhythmen der Rauten – doch in ihrer architektonischen Transparenz zu wuchtigen Flügeln der ins reine Weiß gehüllten Koren-Figuren.

Peter Liebl lädt ein zur genauen und aufgeschlossenen Weise des Sehens, nicht müde zu werden, die Augen zu begeistern und sich einzulassen auf seinen Versuch, die Realität von Mensch, Natur und Raum in Figur, Form, Farb- und Lichtfeldern zu abstrahieren, ihre Möglichkeiten auszuloten und in spannungsreicher Harmonie auszuwägen.

Norbert Langer

Peter Liebls Porträtbilder leben aus der spannungsreichen Harmonie zwischen der Darstellung der konkreten Figur des Menschen und den abstrakten Formen des Hintergrunds, den differenzierte Farbklänge modulieren. Nicht die Huldigung an eine auf sich selbst bezogene Geometrie von Formen und Farben ist das Ziel, vielmehr geben ruhige großflächige Klänge von Farbtafeln und Farbbahnen, aber auch bewegte, ins Unendliche weisende Rautensäulen den Figuren Halt und Freiraum. Sie scheinen vor diesem Hintergrund zu schweben, allein ausbalanciert durch das Widerspiel von farblichen Kontrasten, Wiederholungen und Abtönungen. Die gerötete Augenzone unter freier, hoher Stirn besitzt eine entscheidende kompositorische Bedeutung, bündelt sie, spiegelt sie doch – einmal kräftiger, ja pathetischer, dann wieder verhalten zurückgenommen, gedämpfter – die Farbwerte der „Umwelt“; löst sie doch koloristisch das Spektrum der geometrischen Farbfelder auf, in welche die Figuren gefügt sind. Die Kraft der Farbpartien übt auf den Betrachter die bannende, eine zwischen Irritation und Faszination oszillierende Wirkung aus.

Als Pendant zu den abstrakten Landschaften spielen die Porträtbilder die gewichtige Rolle. Die künstlerische Herausforderung – so der Künstler – gilt dabei dem Experiment, Figur und Geometrie des Raumes, das Abstrakt- Objektive und das Gegenständlich-Subjektive zu versöhnen. Auch wenn man demnach weder Hintergrundsdraperien noch eine ausgeklügelte Lichtregie findet, die einen konkreten Innenraum profilieren sollen, mag man sich – vor allem bei den Kinderporträts – zunächst an frühere Aufnahmen in Fotoateliers erinnert fühlen: an das Statuarische der Modelle, die in erstarrter Pose auf das Blitzlicht warten, an die Accessoires, den Plüschsessel, der Halt gibt, das Spielzeug, Ball oder Kreisel, Hund oder Katze auf Rädern, die fast beziehungslos am Boden stehen oder den Kindern in die Hand gedrückt wurden. Sieht man aber genauer hin, werden Erinnerungen und Anspielungen wach, die weiter zurückreichen in Traditionen der Porträtmalerei. Mit abwesendem Gesicht lässt da bei Goya etwa der kleine Manuel Osorio eine zahme Elster vor den im Dunklen hockenden Katzenballen vorbeistolzieren; man stößt auf die Spielgeräte, auf das Schoßhündchen, man stößt auf die Posen und den Blick der Augen. Auch dominieren in der Geschichte der Porträtmalerei und –fotografie ungewisse Räume oder artifizielle Raum-Inszenierungen, in denen die Porträtierten repräsentativ verankert sind.

Wenn sich das Sehen verändert durch das immer währende Bombardement der Medien mit Bildern und hektischen Bildschnitten, die nichts mehr transzendieren, sondern nur noch vereinnahmen und besetzen, mag es Aufgabe des Künstlers sein, nach neuen Bildern zu suchen, die das Sehen verzögern und verloren gehende Dimensionen neu erschließen. Im Dialog mit künstlerischen und dichterischen Gesprächspartnern, Leitfiguren in Bild, Ton und Wort sieht Peter Liebl das Bild als geistigen Raum, in dem Figur und Natur ihre Würde zurückerhalten und bewahren:

Eines hatte ich schon bei Piero [della Francesca] begriffen: alle große Malerei bedarf der gesteigerten Abstraktion der Farbe, des Lichtes und des Raumes. Über Jahre hinweg malte ich ungegenständlich, viereckige Flächen dominierten, gelegentlich versuchte ich auch Portraits und Figuren. Allmählich reifte der Wunsch heran, beide Ansätze in einem Bild zueinanderzubringen. Die bis heute anhaltende Suche nach einer Verbindung zwischen der Darstellung des Menschen und der Abstraktion hatte begonnen. Besonders wichtig wurde dabei meine Liebe zur russischen Ikonenmalerei, in der abstrakte und konkrete Bildteile eine gelöste Gemeinschaft eingegangen sind und in der ich verwirklicht sehe, was unserer Zeit, die Gott aus allem zu verdrängen sucht, abgeht.

Aus dieser grundsätzlichen Haltung wächst die lebendige Synthese zwischen Artikulationsmitteln der Moderne und Gestaltungsmitteln der Ikonenmalerei wie Flächigkeit, Frontalität, Statik, Reduktion und Vereinfachung. Meditative Ruhe und glühendes Kolorit steigern dabei die ikonische Kraft der Porträts, wenn sie sich aus der Farbbahn oder ruhigen Farbtafel des Hintergrunds als Orientierungsfläche herauslösen, so dass sie für sich selbst stehen und trotz der Anklänge das individuell geprägte Antlitz, nicht die stilisierte Ikone darstellen.

Peter Liebl hat sein bildnerisches Konzept variationsreich erprobt und ohne Ideenzwang verwirklicht. Es entfaltet sich etwa in der dem individuellen Porträt entrückten Frauenfigur der sitzenden Kore. In Erinnerung an Brancusis endlose Säule rücken die flankierenden Farbklänge der Rautensäulen die Gestalt in religiöse Dimensionen, werden die Rhythmen der Rauten doch in ihrer Architektur zu wuchtigen Flügeln der ins reine Weiß gehüllten Frauengestalt. In anderen Bildtafeln erhalten die Figuren durch stärkere farbliche Modellierung ihre körperliche Gegenwart, Direktheit und Individualität. Gerade bei den Männerporträts eröffnen Perspektive und optische Staffelung des Hintergrunds auch greifbarere Raumvorstellungen. Es zeigt sich, dass die Auseinandersetzung mit der künstlerischen Aufgabe, den einzelnen Menschen in seinem räumlichen Kontext zu bilden, von einer sehr überlegten Beweglichkeit in Farbgebung, Komposition und im Sujet beflügelt wird.

Unter dem Motto „Riding with Mary“ hat der Schriftsteller Patrick Roth in einem Erzählessay die Bild- und Figurenkonzeption von Liebls „Indianermadonna“ (1993) in die Zivilisationslandschaft des amerikanischen Westens mit ihren verlassenen Filmkulissen, den Kinos, High- und Freeways gesetzt. Aufregend kontrastiv zur Rasanz einer Autofahrt, zu vorbeiziehenden Rollerbladers lässt er die statuarische Präsenz und intensiv glühende Koloristitik der Ikone „in der Augenzone“ hervorleuchten, um das Eigene, das Eigentliche des rätselhaften Schauens zu formulieren:

Wer sieht und wer wird gesehen?
Liebls Bilder kommen aus Augenzonen: ohne das Rätsel zu lösen.
Das Rätsel löst den Betrachter.