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Rede von Dr. Angelika Baumann – “Wie kommt das Licht auf die Leinwand”, Musikhochschule Münschen

Rede bei der Eröffnung der Ausstellung in der Musikhochschule München

Wie kommt das Licht auf die Leinwand?

Einige von Ihnen kennen vielleicht den französischen Kunsthistoriker Daniel Arasse. Er hat uns in seinem Buch „On n'y voit rien“, - in Deutsch erschienen unter dem Titel „Guck doch mal hin – Was es in Bildern zu entdecken gibt.“ - , ermutigt, Kunstwerke in ihren Details anzusehen und unsere Wahrnehmung dadurch zu schärfen. Genau zu schauen also, um dann vielleicht wirklich etwas zu sehen. Das Motto von Daniel Arasse habe ich - bezogen auf den Künstler Peter Liebl - für mich umgewandelt und umformuliert „Guck bzw. Schau doch auf ihn – Was es in seinen Bildern zu entdecken gibt.“ Seine Arbeiten und seine Person - sie sind für mich eine Einheit, beide untrennbar verbunden, jenseits des herrschenden Zeitgeistes mit monatlichem oder jährlichem Verfallsdatum.
So versuche ich also, mich den vier Kompositionen hier in diesen Räumlichkeiten zu nähern. Und das nicht auf dem Weg ihrer kunsthistorischen Einordnung und Würdigung – das überlasse ich Fachkundigeren, sondern in einem umfassenderen Rahmen, der den Maler, seine Biografie, sowie ich sie kenne, genauso einbezieht wie das Gebäude.

Vor genau zwei Jahren in Vilshofen hat mich Peter Liebl gebeten, in seine damalige Ausstellung einzuführen. Damals wie heute hat er sich - ich nehme an bewusst - für mich als Historikerin entschieden, die zwar beruflich ausschließlich mit Bildender und Darstellender Kunst zu tun hat, für die der Umgang mit den Kunstsparten von großer Bedeutung ist, deren besonderes Thema aber nach wie vor und weiterhin die Beschäftigung mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts ist.

Ich sehe also, liebe Anwesende, lieber Peter Liebl, heute als Erstes das G e b ä u d e, in dem wir die Ausstellung eröffnen. Für mich - als vormaliger Projektleiterin für das direkt neben der Musikhochschule entstehende NS-Dokumentationszentrum - naturgemäß erst einmal das Haus - entworfen nach den Plänen von Paul Ludwig Troost, errichtet in den Jahren 1933 bis 1937, ein Symbol für die ehemalige „Hauptstadt der Bewegung“ und damit auch für eine äußerst aggressive NS-Außenpolitik, der Schauplatz des Münchner Abkommens vom September 1938. Mit ihm wurde die Abtretung des Sudetenlandes an das Deutsche Reich besiegelt – entschieden von Großbritannien, Frankreich, Italien und dem Deutschen Reich. Frankreich und Großbritannien handelten in der Hoffnung, einen drohenden Krieg zu verhindern. Ein großer Trugschluss – wie wir es heute besser wissen.

Auf der anderen Seite ein Gebäude, in das kurz nach dem Krieg die Kunst wieder einzog als einer der zentralen Sammelstellen für Kunstwerke, eingerichtet von der amerikanischen Militärregierung, und in dem im Jahr 1957 die Hochschule für Musik Fuß fasste. Sie gab diesem Ort einen neuen Geist und den Künsten ihre klare und unmissverständliche Bedeutung zurück. Da war es nicht erforderlich, das Haus grundlegend umzubauen, um die „Kontamination“ der Jahre bis 1945 abzuschütteln. Da war es – und das klingt heute so unendlich leicht und ist es nicht - n u r nötig, das Haus zum Klingen zu bringen, es voll und ganz der Kunst und der Kultur zu widmen - nicht nur der Musik, immer wieder auch der Malerei. Damit ist - angesichts einer alptraumhaften Geschichte - Licht gekommen in das Gebäude und seine Nutzer.

Peter Liebl ist nun einer von ihnen. Ich kenne ihn seit mehreren Jahren, bin oft bei ihm und seiner Frau Monika in seinem Atelier in Donaustauf, verfolge die Entwicklung seiner Arbeiten, rede und diskutiere mit ihm.
Ich konnte sehen, wie sehr er gerungen hat um die Auswahl seiner Arbeiten speziell für d i e s e Räumlichkeiten. Ob bewusst oder unbewusst - er hat die Geschichte dieses Hauses aufgenommen und s e i n e Akzente gesetzt. Er hat lichte Räume geschaffen, Räume des Lichts und der Farben, Farben als Symbol für das Licht.

In dieser b e s o n d e r e n Umgebung hat er b e s o n d e r e Räume für seine Farben, für sein Licht gestaltet. Er ist sich dabei bewusst, dass er diese kleine Auswahl seiner Arbeiten in einem Haus zeigt, das durch die Musik und mit der Musik lebt. Und genau dies entspricht dem Menschen Peter Liebl, diesem Grenzgänger zwischen den Künsten, diesem - so möchte ich ihn bezeichnen - Künstewanderer.
Er, der seine Anregungen nicht nur aus der Malerei, sondern vor allem aus der Musik und der Literatur bezieht - für ihn ist dieses Haus der Musik ein idealer Ort für seine Werke. Er, der sich faszinieren lässt von der alten Musik, von Heinrich Schütz zum Beispiel, einem der renommiertesten deutschen Komponisten des Frühbarocks, der sich stark von den frühen Madrigalen in italienischer Sprache beeinflussen ließ und mit einem aus Italien stammenden konzertierenden Stil wegweisend wurde. Oder die große Bewunderung Peter Liebls für die zeitgenössische Musik und ihre Interpreten, Kim Kashkashian oder Betty Olivero, um nur ein paar Namen zu nennen.
Groß seine Begeisterung für Adalbert Stifter, den Dichter, Maler und Lehrer. Stifter, der seine Figuren ziel- und endlos wandern lässt, immer bereit, vermittelt durch Natur- und Landschaftserleben, neue Sinneserfahrungen zu machen, Empfindungen zu thematisieren. Stifter, der den Leser fordert mit ausführlichen Beschreibungen dieser Natur, dessen Sinne er schärft für das Erleben von Nacht, Tag, Schatten, Dunkel, Helligkeit und Licht. Adalbert Stifter, der anlässlich der Sonnenfinsternis vom 8. Juli 1842 einen Text geschrieben hat, den ich mit Peter Liebl assoziiere, wie Musik und die Skizzierung eines abstrakten Gemäldes.
Zitat: „Könnte man nicht auch durch Gleichzeitigkeit und Aufeinanderfolge von Lichtern und Farben ebenso gut eine Musik für das Auge wie durch Töne für das Ohr ersinnen? Bisher waren Licht und Farbe nicht selbständig verwendet...Sollte nicht durch ein Ganzes von Lichtakkorden und Melodien ebenso ein Gewaltiges, Erschütterndes angeregt werden können wie durch Töne? Wenigstens könnte ich keine Symphonie, Oratorium oder dergleichen nennen, das eine so hehre Musik war, als jene, die während der zwei Minuten (der Sonnenfinsternis) mit Licht und Farbe an dem Himmel war, und hat sie auch nicht den Eindruck ganz allein ge- macht, so war sie wenigstens ein Teil davon.“
Der deutsche Kunsthistoriker Wolfgang Schöne hat 1954 ein Buch über das Licht in der Malerei veröffentlicht. Thema ist für ihn dabei vor allem die Funktion des Lichtes in den großen Werken der Malkunst, die Lichtquelle als Mittel der Darstellung und das „transzendentale Leuchtlicht“, um die Repräsentation der Transzendenz der Darstellung also.

Wenn ich die Bilder von Peter Liebl sehe, geht es für mich um eine weitere Dimension. Licht entsteht in seinen Gemälden durch die Farben und deren Komposition, durch Farben, die erst einmal nur er sieht, durch Farben, die nur er für diesen Raum als passend erachtet. Sie sind entstanden durch das Erleben, durch das große Wahrnehmen und Erfahren von Peter Liebl, sie sind seine Haltung zur Gegenwart und Geschichte, die er sich auf seine ganz besondere Art aneignet. Er tut dies sowohl abstrakt wie konkret. Seine Bilder sind in einem hohen Ausmaß ein persönlicher Prozess der Auseinandersetzung mit seiner Umgebung, seiner Umwelt, als deren Teil er sich ganz stark sieht. Dabei geht es im wahrsten Sinne des Wortes um das L i c h t w e r d e n.

Und genauso kommt das Licht auf diese Leinwand!